Disclaimer: Dieser Text ist im November 2023 entstanden und basiert auf den zu dem Zeitpunkt herrschenden Verhältnissen und Informationen.
Lukas musste sich beeilen. Draußen vor dem McDonald’s wartete seine Bezugsgruppe und eigentlich war er nur reingekommen, um kurz aufs Klo zu gehen.
Und vielleicht noch für einen McPlant. Mal sehen.
Er wusch sich die Hände, klemmte sich sein Pappschild unter den Arm, auf welches er mit roten Buchstaben „Studenten für eine neue Intifada!“ geschrieben hatte, und trocknete sich die Hände an seinem noch viel zu neu aussehenden Palituch ab, während er mit dem Rücken die Tür nach draußen öffnete.
„Aaaaha, da bist Du ja, ich wusste, Du kommst, komm her, komm, setz Dich, willst Du was zu trinken? Cuba Libre?“
Lukas blickte auf. Vor ihm stand ein recht hoch gewachsener Businessmann mit nach hinten gegelten Haaren und den Charme eines Andi Scheuer.
Auch die Umgebung sah nicht aus wie der Gang zur Verkaufstheke, den er eigentlich erwartet hatte, sondern wirkte wie ein Büro aus dem schlechten Rip-off eines beliebigen Leonardo DiCaprio-Films. Links hinter dem Anzugfatzke vor ihm saß eine Frau im schwarzen Hosenanzug mit roter Bluse und mit lose nach oben gesteckten Haaren. Sie rauchte und erinnerte ihn an jemanden, er wusste aber nicht an wen. Irgendein Piratenfilm vielleicht.
All das nahm er zwar auf, alles was er hervorbringen konnte war allerdings nur ein verwirrt gestottertes „Was? Entschuldigen Sie? Wo bin ich hier?“.
Der Typ kam mit einem großen Schritt und weit ausgestreckten Armen auf ihn zu: „Willkommen bei der Hell Inc. enterprise unlimited international. Lukas, richtig? Du stehst bei mir zum Bewerbungsgespräch!“
Lukas hatte seine Sprache wiedergefunden. „Okay, ich wusste ja, dass McDonald’s verzweifelt ist, aber dass Sie schon Menschen zu Mitarbeitenden machen, die einfach nur auf dem Weg von der Toilette nach draußen falsch abgebogen sind, finde ich nicht nicht mal mehr proletarisch, das ist billig.“
In diesem Moment fiel ihm das Namensschild am Revers des Schleimers auf und er beugte sich vor um es zu entziffern. „Jetzt entschuldigen sie mich Herr… Morgenstern, ich muss wieder zurück zu meiner Bezugsgruppe, die wartet bei der Kundgebung.“
„Ah, ja ich seh schon, voll geil, deswegen haben Wir Dich eingeladen. Hier, deine Bewerbungsunterlagen…“ fuhr sein Gegenüber ungerührt fort, während er sich von der Frau hinter ihm eine Akte reichen ließ.
„Welche Unterlagen?“ fragte Lukas irritiert „Ich studiere, ich brauch noch keine Arbeit!“
Alles was er erntete, war ein mitleidiger Blick. „Hast Du den Facebook-AGB nicht widersprochen? Nein? Mit diesem Bild von dem Teller Nudelsuppe?“ Lukas guckte ungläubig. „Tja“ zuckte der Typ die Schultern. „Jedenfalls sehen Deine Unterlagen super aus. Hier auch das was Du gerade machst, Unterstützung einer Terrororganisation. Mega!“
Darum ging’s also! Da wusste er, was er zu sagen hatte! „Wir als zivilisierte erste Welt haben die Pflicht einzuschreiten, wenn andere weiße, westliche Wohlstandsgesellschaften People of Color unterdrücken! Unseren antirassistischen Kampf zur Unterstützung der palästinensischen Freiheitskämpfer:innen versuchen die bürgerlichen Medien nur als Antisemitismus zu diffamieren! Ich führe hier doch keinen Diskurs, den mir irgendein Staatssender in den Mund legt!“
„HA“ lachte der Große auf. „Fantastisch! Siehst Du Lukas, das ist genau das, was ich meine! Mit einer geil relateable Lingo …“ Von links hinten wurde er von seiner Assistenz unterbrochen „…die diverseste gleichberechtigte Bevölkerung im nahen Osten einfach mal flächendeckend zu Weißen erklären und behaupten alles was ne dunklere Haut hat als der durchschnittliche Deutsche auf Malle könne kein Nazi sein.“
Die Augen des Bosses glitzerten bei diesen Worten freudig als er das Wort wieder an sich riss: „Ich finds auch einfach richtig awesome, wie die islamischen Staaten den Westen mit financial power in die Tasche gesteckt haben und jetzt ausgerechnet die Commiekids…“
„…islamistischen Terror der Vasallenmiliz der Finanzmonarchie im Iran für Freiheitskampf halten.“ fuhr die Bürokraft fort „Und sich unter Berufung auf die zur Zeit von den meisten Staaten der Welt vertretene Position…“
„…wieder mit den people connecten, die sich wie underdogs fühlen wollen. Der Mensch will unique sein in seiner Goodness, YESSS!“ spielte er den Ball zurück „Und das während man gender equality suggested…“
„…in einer patriarchalen und islamistischen Terrorgruppe, die am 7. Oktober systematisch Frauen vergewaltigt, verstümmelt und auf maximal erniedrigende Weise ermordet hat.“ schloss sie, die Augen stur auf Lukas gerichtet.
Selig wie nach einem Orgasmus drehte sich der Anzugträger wieder zu Lukas um.
„Brilliantes Pinkwashing, das könnten die selbst nicht besser! Hach, ich liebe identitäre Bewegungen.“
Lukas konnte nicht glauben, welches Schauspiel ihm geboten wurde. Meinten die das ernst? „In der aktuellen israelischen Regierung sitzen Leute, die Siedler im Westjordanland bewaffnen.“ rief er verteidigend. „Palästinenser:innen werden in diese Welt hineingeboren, also ist klar, dass die Hamas nur ein Symptom des israelischen Genozids und der Behinderung der 2-Staaten-Lösung ist!“
Das Glitzern in den Augen wurde nicht weniger, eher im Gegenteil. Wieder teilten sich der Lackaffe und die Raucherin die Reaktion auf ihn.
„Broooo to the moooon! Digga Du hast ein Talent, das hab ich so noch nicht gesehen. Mega! Mit einem red Herring und einem genetischen Fehlschluss den permanently threatened Schutzstaat of all jews zur fascist big power erklären…“
„…während die Hamas der eigentliche Grund für das Leid der Bevölkerung im Gaza ist und die 2-Staaten-Lösung in den letzten Jahrzehnten vor allem an Radikalinskipalis scheiterte. Ein Genozid is übrigens was anderes, als dass laut einer Terrororganisation, die nicht zwischen Zivilisten und Terroristen unterscheiden will, viele Leute sterben.“ Während sie sprach, verschwand die Frau in einer immer dickeren Wolke auch Tabakrauch. War das wirklich nur Tabak?
„…Aber is egal, weil klingt geil.“ fiel der Typ ein. „Und hier, den Code ‚Hamas ist Palestine, Palestine is Hamas‘ schön paraphrasieren, damit das Genozid-narrativ reproduzieren und noch so richtig lecker die Faschisten mit einem Sucker Punch von links unten unterstützen! Love it!“
Lukas blieb nichts mehr, außer ernsthaft zu fragen: „Wollen Sie mich eigentlich verarschen?“
„Neee Lukas, würd ich nie machen!“ seufzte der Typ während er ihm den Arm um die Schulter legte. „Pass auf: God almighty und ich, wir hatten ja so einen kleinen, naja sagen wir…Disput.“
Es war also wirklich der Teufel. Oder zumindest jemand, der sich für ihn hielt. Aber ob hier überhaupt irgendwas so war, für wie man es hält, wurde Lukas auch langsam selbst fraglich.
„Ja ok, das ist halbwegs bekannt“ entgegnete er.
„Er meinte Euch erst mit free will zu crediten, aber dann noch selber Heckmeck mit Sinn und so zu machen und ich hab ihm gesagt, pass auf, hab ich gesagt: Das is n scheiß move wenn man will, dass der Laden läuft.
Na da war er irgendwie grumpy dad und hat mich vom Leaderboard gekickt. Ich weiß jetzt nicht, was ihn dazu bewogen hat mich als son Arschloch hinzustellen, aber glaub mir…“ Er drehte Lukas an den Schultern zu sich „…ich bin einfach nur your own personal Satan, den Du gerade in Deinem Leben brauchst. Ich kann Dein bester Freund werden.“ Er drehte sich wieder zur Seite. „Na anyhow, der Big Ol’ Dude und ich hatten noch einen letzten Deal und zwar, dass ihr von Fairplay wegen Eure eignen Regeln machen könnt, ohne dass wir da disrupten. Ihr seid also zur Freiheit verdammt.“
Lukas kam kaum mit. Um ehrlich zu sein, hörte er gar nicht richtig zu. Den Großteil dieser Sprache verstand er nicht und wollte er auch gar nicht verstehen. Der Neolib vor ihm klang genauso wie die anderen Schweine auch. „Naja und im Moment siehts so aus, als ob seine Gottesvölker meine These unter Beweis stellen. Und so Leute wie Du, die einfach irgendeine Ideologie in diese Gottesfunktion eingespeist haben, ihr seid ganz geile Multipler für mich um meinen Point zu proven, verstehste?“
Moment, was?
„Was, nein! Wir sind für die Befreiung aller Menschen von ihren Ketten, aber man muss das von der Lösung her denken und die kann nur eine säkulare und sozialistische Gemeinschaft sein! Was im Oktober passiert ist war ein Befreiungsschlag gegen die imperialen kapitalistischen Colonizer.“
Satan bließ einen verträumten Chefs Kiss in die Luft. „Siehste, das is genau das was ich mein. Geiles Phrasing, das Framing im discourse der letzten Jahrzehnte perfekt genutzt!“
Hinter ihm stieß die Assistenz scharf ihren Rauch durch die Lippen. „Scheiß drauf, dass vor allem Kibbuzim überfallen wurden, die sozialistisch bis anarchistisch selbstorganisiert sind und da Massaker veranstaltet wurden von Leuten, die die Sharia im gesamten jetzigen israelischen Staatsgebiet durchsetzen wollen. Die wahre Freiheit liegt darin, eine kapitalistische Demokratie durch eine islamistische Gewaltherrschaft zu ersetzen.“
Satan sah sie breit grinsend an: „Ich sags Dir, mit mehr solcher Peeps, hätten wir die 2012-Deadline einhalten können!“
„Niemand hat das Recht auf einen Staat!“ “ musste Lukas laut einwerfen „Das palästinensische Volk war bereits vor der Gründung Israels da und hat die vertriebenen Jüd:innen aus Europa nur zu gern aufgenommen. Und wie wird es ihnen gedankt? Indem man das Land raubt. Palästina muss von deutscher Schuld befreit werden! Warum setzt man Israel nicht einfach woanders hin?“
Während er redete, schloss der Teufel sinnlich die Augen, als hätte er eine fremde Hand in der Hose. „Mmmmmhhhhjaaaaa….ah! Ahhhh…Geil. Geschichtsverzerrung und Schuldkultnarrative für Gutmenschen, die ich mit Corona nicht catchen konnte. Du wirst so ein guter nächster Ballweg, das wird so ein win-win-win-win-win…win-win für uns.“ Er kam Lukas schon wieder so unangenehm nahe „Für Dich zumindest für die Vertragslaufzeit, danach kommt die Staatsanwaltschaft.“
„Leute wie Ihr hier seid doch hier die Faschistenfreund:innen!“ rief Lukas, während er einen Schritt nach Hinten machte „Israel ist nicht gefeiht dagegen, die Jüd:innen zu einem Tätervolk zu machen, nur wegen des Holocaust! Das ist ein Apartheitsstaat, den mensch mit allen Mitteln bekämpfen muss, und wenn es jetzt halt gerade die Hamas ist.“
Lucifer sah ihn liebevoll an, wie ein Mentor seinen Schüler „Und noch ne Moral Equivalence reingesneaked, Partner I love you!“
„Eine parlamentarische, repräsentative Demokratie, in der Rechte an der Macht sind mit einer strikten Rassentrennung per Gesetz gleichsetzen,“ kommentierte die Frau. „…besser kann man die Deutschen nicht von diesem lästigen Gewissen befreien.“
„Die Deutschen sind in der Angelegenheit echt unsere härteste Nuss.“ wandte sich Satan im Plauderton an sie „Aber ich muss die Dedikation mit der sie remembrancen schon echt crediten, das is schon ne Challenge.“
„Denn wie heißt es schon im zweiten Buch Kevin, Kapitel 13, Vers 12: Das Gewissen ist das Luftschloss der Pharisäer.“
„Zur Hölle mit den Deutschen!“ brach es aus Lukas heraus, während er den rechten Arm zu einer abwehrenden Geste hob.
Eine Gelegenheit für ein High-Five, das sich der Teufel nicht entgehen ließ. Er schlug ein, hielt den Arm süffisant noch etwas weiter oben und grinste Lukas an.
„Ich wusste doch, dass du genau weißt, warum wir Dich eingeladen haben.“
Sagte er, während er ihm um die Schultern griff und ihn in die Dunkelheit führte.
„Komm, die genaueren Vertragsdetails besprechen wir gleich. Ich kann Dir die ganz große Bühne für Deine Show geben. Was hältst Du von…Fridays for Future international?“
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